Erwählt Gott manche Menschen zur Errettung und verdammt die Übrigen? Verhärtet Gott die Herzen mancher, sodass sie niemals umkehren können?
Das könnte man nach dem Lesen dieses Verses meinen:
Vielleicht erinnerst du dich an die Geschichte. Mose sagte: »Lasst mein Volk ziehen«, der Pharao sagte hartnäckig: »Nein«, und das Ergebnis war die Zerstörung Ägyptens und die Befreiung Israels.
Und scheinbar war die Unnachgiebigkeit des Pharaos allein Gottes Werk.
Die Geschichte vom Pharao ist uns von Mose überliefert worden. Mehrfach berichtet Mose, dass Gott das Herz des Pharao verhärtete (siehe 2. Mose 4,21; 7,3; 9,12; 10,1; 14,4). Doch Mose sagte auch, dass der Pharao selbst sein Herz verhärtet hat:
- Als aber der Pharao sah, dass er Luft bekommen hatte, verstockte er sein Herz.2. Mose 8,11; Schlachter Bibel, 2000
- Aber der Pharao verstockte sein Herz auch diesmal und ließ das Volk nicht ziehen.2. Mose 8,28; Schlachter Bibel, 2000
- Als aber der Pharao sah, dass der Regen, der Hagel und der Donner nachließen, versündigte er sich weiter und verhärtete sein Herz, er und seine Knechte.2. Mose 9,34; Schlachter Bibel, 2000
Was ist da los? Der Pharao ist nicht der Herr. War Moses etwas durcheinander?
Die Autoren des Alten Testaments sagten mitunter, Gott verhärte die Herzen (z. B. Josua 11,20). Doch die Menschen verhärten ihre Herzen selbst, indem sie dem Heiligen Geist widerstehen und der Verführung der Sünde erliegen (Hebräer 3,13). Es ist der Stolz, der die Herzen verhärtet.
Der Pharao war ein Tyrann, der das Wort des Herrn ablehnte. Er erlebte einige von Gottes eindrucksvollsten Zeichen und Wundern aus nächster Nähe, doch er verschloss die Augen und verhärtete sein Herz. Er weigerte sich, das zu glauben, was er hörte und sah.
Das klingt so, als hätte der Pharao keine Wahl gehabt. Er war Gottes Marionette. Doch die Bibelstelle, die Paulus zitiert, lautet:
Es besteht ein Unterschied zwischen »Ich habe dich erweckt« und „Ich habe dich am Leben gelassen«. Die wahre Bedeutung wird deutlicher in der Septuaginta (der griechische Übersetzung der hebräischen Schriften), wobei das Originalzitat wie folgt lautet:
Gott hätte den Pharao jederzeit absetzen können, aber er tat es nicht. In seiner Gnade bewahrte Gott das Leben des Pharaos. Denn so handelt Gott. Er bewahrt und rettet Menschen. Gott gab dem bösen Pharao mehrere Gelegenheiten zur Umkehr – das ist Gnade.
Die Tragik von Pharaos Bosheit lag darin, dass viele Menschen ihr Leben verloren. Doch was Pharao Böses im Schilde führte, wendete Gott zum Guten. Wegen Pharaos Starrsinn erfuhr die ganze Welt von Gottes mächtigen Zeichen und Wundern. Wir sprechen noch heute davon.
Die falsche Schlussfolgerung daraus ist, dass »Gott einige rettet und die Übrigen verdammt«. So etwas sagt Paulus niemals. Stattdessen sagt er:
Paulus weist darauf hin, dass es Gott freisteht, Barmherzigkeit zu zeigen oder Herzen zu verhärten, und er wählt die Gnade.
Es ist erstaunlich, wie oft das missverstanden wird. Man reißt Bibelstellen aus dem Zusammenhang und entwickelt daraus allerlei abstruse Vorstellungen von Gottes himmlischer Lotterie. Doch liest man alles im Textzusammenhang, wird die Botschaft der Barmherzigkeit unmissverständlich deutlich.
In den mittleren Kapiteln des Römerbriefs erzählt Paulus Geschichten aus der Geschichte Israels, um uns an eine große Wahrheit zu erinnern: Gott ist barmherzig. »Der Herr, euer Gott, ist ein barmherziger Gott« (5. Mose 4,31). Wahrlich, Gott ist überreich an Barmherzigkeit (Epheser 2,4).
Wer unter einem unbarmherzigen Gesetz aufgewachsen ist, stellt sich Gott als hart und unversöhnlich vor. Man stellt sich Gott als pingelig und strafend vor, der unbußfertige Pharaonen und Ungläubige bestraft.
Doch der Gott, den Jesus offenbart, ist nicht so. „Er ist gnädig und barmherzig, geduldig und von großer Güte“ (Psalm 103,9). Dank seiner Barmherzigkeit werden wir gerettet (Titus 3,5).
Er ist ein Gott der Barmherzigkeit, nicht der Verhärtung.
