Warum müssen Menschen das Geschenk der Vergebung annehmen, wenn der ganzen Welt bereits vergeben wurde?

Ein Freund von mir hat mir kürzlich einige Fragen zum Thema Vergebung gestellt.

Wenn Gott allen am Kreuz vergeben hat, wozu brauchen Sünder dann noch Jesus? Warum sollten sie sich für die gute Nachricht interessieren, wenn es keine schlechte Nachricht gibt? Und vermitteln wir Sündern nicht den falschen Eindruck, dass alles in Ordnung ist, indem wir sagen: »Allen ist vergeben«?

Seine Sorge war, dass, wenn wir losgehen und Vergebung als erledigte Angelegenheit verkünden, wie ich es getan habe, einige Sünder mit einem »Na und?« antworten werden. Sie werden nicht motiviert sein, etwas zu tun.

Das ist sicherlich eine Möglichkeit. Sage einem Sünder, dass ihm vergeben worden ist – dass Gottes Gnade am Kreuz offenbart wurde – und du riskierst, Perlen vor die Säue zu werfen. Du riskierst Desinteresse und Gleichgültigkeit. Aber das ändert nichts an der Wahrheit des Evangeliums, sondern nur an der Art und Weise, wie wir es auftischen.

Du musst verstehen, dass es einen großen Unterschied gibt, zwischen dem, was Gott getan hat, und wie wir auf das reagieren, was Gott getan hat. Und dieser Unterschied ist der Unterschied zwischen Leben und Tod.

Ich möchte das veranschaulichen:

Nehmen wir an, ich tue dir etwas wirklich Schlimmes an. Vielleicht überfahre ich deine Katze oder verbreite böswillige Lügen über dich. Doch aus der Güte deines Herzens entscheidest du dich, mir zu vergeben. Ich verdiene das nicht – dein Akt der Vergebung basiert ausschließlich auf deinem gnädigen Charakter.

Wenn ich dir gegenüber weiterhin böse handle, dann hat deine Vergebung keine Auswirkung auf mein Leben. Von deiner Seite aus mag es kein Vergehen geben – alles ist vergeben –, aber von meiner Seite aus bin ich derselbe Sünder, der ich immer war, der Katzen tötet und Klatsch verbreitet.

Oder vielleicht fühle ich mich schlecht wegen des, was ich getan habe, aber ich kann mir das nicht verzeihen. Ich habe so schreckliche Dinge getan! Was ist die Lösung? Nicht, dich um Verzeihung zu bitten – das hast du bereits getan! Es geht darum, die Gnade anzunehmen, die du bereits auf den Tisch gelegt hast.

Von deiner Seite aus wurde mir vergeben, aber was mich betrifft: Entweder möchte ich deine Vergebung nicht oder ich weiß nicht, dass ich sie habe. Die Tatsache deiner Vergebung hat keine Auswirkungen auf mein Leben, denn ich habe sie nicht angenommen.

Jeder Sünder hat ein verzerrtes Bild von Gott. Was an ihrem himmlischen Vater wahr und gut ist, können sie nicht sehen, weil ihr Sinn verschleiert ist. Wahrheit, die durch eine Verzerrung gefiltert ist, erscheint nicht mehr als Wahrheit. Ebendarum ist der Sinn des Sünders nicht in der Lage, Gottes Dinge aufzunehmen.

Bedingungslose Vergebung und Gnade klingen wie Dummheit. Die Lösung besteht nicht darin, Sünder mit Zuckerbrot und Peitsche zu motivieren, sich von der Sünde abzuwenden (das ist Johannes der Täufer). Es ist auch nicht die Lösung, mit ihnen auf der Grundlage der Vernunft zu argumentieren (ihr Verstand ist verschleiert). Abhilfe schafft, das reine und unverfälschte Evangelium zu predigen und zu beten, dass sie eine Offenbarung der Gnade durch den Heiligen Geist erhalten. Die Wahrheit geht einem nur durch Offenbarung auf.

Das Geschenk, das angenommen werden muss

Am Kreuz wurden die Sünden der Welt »weggeschickt«. Vergeben bedeutet wörtlich »wegschicken«.

So fern, wie der Osten vom Westen ist, so weit schafft er unsere Vergehen von uns fort.
Psalm 103,12; Neue Genfer Übersetzung, 2011
Gott war in Christus, als er durch ihn die Menschen mit sich versöhnte. Er rechnete ihnen ihre Verfehlungen nicht an und übergab uns die Botschaft der Versöhnung.
2. Korinther 5,19; Neue evangelistische Übersetzung, 2025

Deshalb sagte der auferstandene Herr, dass wir die Vergebung als eine erledigte Angelegenheit verkünden sollen, anstatt sie als eine Gunst zu verkaufen, die wir uns verdienen müssen. Vergebung ist ein Geschenk, das angenommen werden muss.

Du sollst ihnen die Augen öffnen, dass sie sich von der Finsternis zum Licht, von der Macht des Satans zu Gott hinwenden und dass sie Vergebung der Sünden und ihr Erbe in der Schar der Geheiligten empfangen durch den Glauben an mich.
Apostelgeschichte 26,18; Zürcher Bibel, 2007

Und in Jesus haben wir dieses Geschenk.

Durch ihn haben wir die Vergebung, die uns durch sein vergossenes Blut geschenkt ist, ja, die Befreiung von jeglicher Schuld, die wir auf uns geladen haben. Auch das geschieht durch den Reichtum seiner wunderbaren Gnade.
Epheser 1,7; Das Buch, 2022
Gott hat unsere Freiheit mit seinem Blut teuer erkauft und uns alle unsere Schuld vergeben.
Kolosser 1,14; Neues Leben. Die Bibel, 2024

Das Gegenteil von Vergebung oder Sündenerlass ist das Festhalten der Sünde (siehe Johannes 20,23). Obwohl die Sünden der Welt am Kreuz fortgeschafft worden sind, schleppen Menschen immer noch ihre Sünden mit sich herum. Sie sind durch ihre Sünden verkrüppelt und die Sünde gibt dem Teufel die Gelegenheit, sie gnadenlos anzuklagen. Viele bleiben Sklaven der Sünde. Das Einzige, was sie befreien kann und sie befähigt, nicht mehr zu sündigen, ist eine Offenbarung von Gottes Gnade.

Von seiner Seite aus ist die Vergebung eine erledigte Sache. Es gibt keine Opfer mehr für die Sünde. Aber von unserer Seite aus kann die Sünde tatsächlich ein sehr ernstes Problem sein. Warum musst du das Geschenk der Vergebung annehmen, wenn dir bereits vergeben worden ist? Aus dem gleichen Grund, aus dem du Gottes Gnade annehmen musst, die allen Menschen erschienen ist – du wirst durch sie verändert. Gnade und Vergebung werden dich von der Last der Schuld und Verdammung befreien, und davon, ein Sklave der Sünde zu sein. Es reicht nicht aus, dass Gott dir vergeben hat. Gnade ohne Glauben ist wertlos. Du musst sie annehmen. Du musst aufhören, dich wegen der Sünde selbst fertigzumachen, und anfangen, Jesus und seiner vollkommenen Rettung zu vertrauen.

Wenn ein Sünder fragt: »Ist mir vergeben?« Was sagt man ihm?

Dies ist eine weitere gute Frage, und sie wird durch die Angst motiviert, Perlen vor die Säue zu werfen. Ich denke, es hängt davon ab, wer da fragt. Wenn die fragende Person ein Schriftgelehrter oder Anwalt wäre, der versucht, mich mit seinen klugen Argumenten und seiner selbstgerechten Logik zu beeindrucken, würde ich die einzige Sprache sprechen, die sie verstehen – die Sprache der bedingten Vergebung. Ich würde sagen:

Wende dich von deiner Bosheit ab und bitte den Herrn, dass dir das Ansinnen deines Herzens vergeben werde!
Apostelgeschichte 8,22; Einheitsübersetzung, 2016

Mit anderen Worten: Ich würde den Selbstgerechten das Gesetz predigen, damit ihre stolzen Münder zum Schweigen gebracht würden. Lasse das Gesetz seine ihm bestimmte Aufgabe tun, dann sind sie bereit für die Gnade.

Oder wenn die fragende Person unter der Täuschung steht, dass sie völlig ohne Sünde sei, würde ich sagen:

Wenn wir aber unseren Weg im Licht gehen, wie er selbst im Licht ist, dann haben wir Gemeinschaft untereinander, und das Blut seines Sohnes Jesus reinigt uns von aller Sünde.
Wenn wir sagen: Wir haben keine Sünde, führen wir uns selbst in die Irre, und die Wahrheit ist nicht in uns.
Wenn wir aber unsere Sünden bekennen, ist er so treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit.
1. Johannes 1,7–9; Zürcher Bibel, 2007

Aber wenn der Bittende wirklich offen für Gottes Gnade wäre, würde ich wie Paulus sagen:

Ihr sollt daher wissen, Geschwister, dass es durch Jesus Vergebung der Sünden gibt; das ist die Botschaft, die Gott euch verkünden lässt.
Apostelgeschichte 13,38; Neue Genfer Übersetzung, 2011

Ich würde ihnen die gute Nachricht der Gnade weitersagen – Dir ist vergeben! – und ich würde sie ermutigen, auf Jesus zu vertrauen und daran zu glauben.

Es gibt viele selbstgerechte Menschen in der Kirche, aber die meisten Sünder sind nicht so. Sie brauchen kein Gesetz, das ihnen sagt, dass sie nicht vollkommen sind – das wissen sie bereits. Sie leben mit Schuldgefühlen und Kummer und ihr Gewissen verurteilt sie. Sünder wie diese müssen unbedingt hören, dass ihre Sünden vergeben worden sind, und es ist unsere Aufgabe, es ihnen zu sagen. Tatsächlich ist dies das Vorrecht, das Evangelium zu predigen.

Der Dienst der Versöhnung sagt den Menschen nicht, dass ein verärgerter Gott darauf wartet, dass sie seine beleidigte Natur reuevoll mit einem Strauß Blumen und einer Schachtel Pralinen besänftigen. Es ist die Herausforderung, ihnen die frohe, freudige Nachricht zu überbringen, dass Gott sie liebt, sein Gesicht ihnen zugewandt ist und er nichts gegen sie hat.

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